Dein Österreichisches Wörterbuch

Engelmacherin , die

eine Frau die Abtreibungen vornimmt


Art des Eintrag: Substantiv

Erstellt am: 18.08.2005

Bekanntheit: 81%

Beurteilung: 60 | 1

Kommentar am 03.01.2006
Ein Engel wird gemacht, Verniedlichung der Tötung des Fötus

Kommentar am 05.12.2008
ich habe so meine zweifel... das dies ein austriazismus ist.

Kommentar am 05.12.2008
Die Engelmacherei im deutschen Sprachgebrauch war lange Zeit nicht nicht die Abtreibung. Pflegekinder wurden zu Engeln gemacht. Karl Henckell (* Hannover 1864-1921) beschreibt in seinem Gedicht "Die Engelmacherin" , wie die Engelmacherei funktionierte:

Hier, mein Kind, hier, mein Kind, Eh deine Mutter kommt, geschwind! Zuckersüßen Branntewein – Bald lädt dich der Herrgott ein. Schmeckt es, mein Liebchen? So zieht man euch groß. Eia, popeia, Dann sind wir dich los. Ei so geht’s, ei so geht’s Zu meinem hübschen Vorteil stets. Kinder gibt es immer frisch, Goldne Vögel auf den Tisch. Wie mich der klingende Beutel entzückt! Eia, popeia, Bald ist mir’s geglückt. Kummer und Elend, Sünde und Pein, Eia, Popeia, Bringen was ein.
Karl Henckell, Gesammelte Werke Bd.2, München 1921 S. 35., ( WIKISOURCE):https://de.wikisource.org/wiki/Die_Engelmacherin
Sie war eine auf die Angelisierung der ihr anvertrauten Kinder spezialisierte Pflegemutter, offensichtlich mit sich lohnender pauschalierter Vorausabgeltung für eine Langzeit-Pflegeperiode.
DUDEN meint, das Wort umfasse beide Professionen.

Kommentar am 02.02.2009
Schon Helmut Qualtinger besang die "Alte Engelmacherin vom Diamantengrund". Auch wenn das Wort in deutschen Landen verwendet wird, glaube ich eher an wienerische Wurzeln...

Kommentar am 04.02.2009
Der "Berufsstand" der "Engelmacherin" wurde - nach dem zweiterfolgreichsten Volksbegehren Österreichs (mit knapp 900.000 erzielten Unterschriften)zur Streichung des maria-theresianischen Paragraphen 144 des Strafgesetzbuches und gesetzlichen Freigabe der Fristenlösung - arbeitslos. Nach langem, heftigen Widerstand seitens FPÖ, ÖVP und der katholischen Kirche trat die Fristenregelung (Paragraph 97 Strafgesetzbuch)durch einen Beharrungsbeschluß der SPÖ am 1. Jänner 1975 in Kraft. Seither ist ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate, sofern eine ärztliche Beratung stattgefunden hat und der Eingriff von einem Arzt vorgenommen wird, straffrei. Danach ist eine Abtreibung nur noch bei medizinischer Indikation erlaubt.

Kommentar am 28.10.2015
ich denke, das ist ein allgemein deutscher Ausdruck

Kommentar am 28.10.2015
Die "Engelmacherin" war allerdings lange (s. das zitierte Gedicht von Karl Henkell) nicht die semi-professionelle Abtreiberin, sondern eine "Pflegemutter", deren Pflegekinder zwecks Kostenersparnis möglichst schnell zu Engeln gemacht wurden:
Das Thema der Findlinge und Findelhäuser führt uns unwillkürlich auf die s.g. Engelmacherinnen . Es sind dies Weibspersonen, welche gegen Bezahlung Kinder irgend eines Alters in Wartung und Pflege nehmen, diese Pflege aber in einer Weise führen, dass die kleinen Schutzbefohlenen rasch als "Engel" ins bessere Jenseits marschieren. Der Name Engelmacherinnen , den ihnen der Sprachgebrauch beigelegt, ist daher ein ganz bezeichnender. (S. 669) [...] Langsames Verhungern jedoch ist die gewöhnlichste Methode mit welcher die Engelmacherinnen den Mord der „Unschuldigen" üben und mit Rücksicht auf diese Methode stehen sie, was kaltherzige Grausamkeit betrifft, noch weit über dem Urheber des bethlehemitischen Kindermordes. Das Verbrechen dieser Weiber ist um so empörender, als es an Wesen verübt wird, die nicht als Ankläger gegen sie auftreten können. Wo daher, wie im Falle der Engelmacherinnen dieses Mitgefühl fehlt, gewährt das Gesetz solchen Kindern kaum einen Schutz. Denn nur selten lässt es sich mit der vom Gesetze geforderten Bestimmtheit beweisen, dass der Tod von Kindern direkt durch solche Weiber veranlasst wurde. Und gelingt dies auch, so ist es fast unmöglich, den boshaften Vorbedacht nachzuweisen, der die Tödtung als Mord stempeln und die Schuldigen der höchsten gesetzlichen Strafe unterwerfen würde. In London, wo das Geschäft der Engelmacherinnen ausgedehnt florirte, gelang dies in einem Falle vor mehreren Jahren. Das weibliche Scheusal endete am Galgen (S. 671)
Gustav Lening, Die Nachtseiten von New York und dessen Verbrecherwelt … (New York 1873):http://tinyurl.com/ncwdjgm
In Königsberg ist in diesen Tagen eine sogen. „Engelmacherin" ", eine Arbeiters-Wittwe, verhaftet worden, die man in Verdacht hat, alle die kleinen unehelichen Kinder, welche ihr gegen ein geringes Kostgeld in Pflege gegeben worden sind, seit dem Dezember vor. Jahres zu "Engeln" gemacht zu haben. Die "Engelmacherei" ist eine neue schwarze Seite unserer modernen gesellschaftlichen Zustände, eine scheußlich teuflische Erscheinung,.[…] Wer sein uneheliches Kind, der Kostenersparniß wegen, rasch los werden will - in London, in Berlin, wie in anderen Haupt- und Residenzstädten - , der gibt sie zu einer "Engelmacherin." Je geringer das Kostgeld ist, desto eher wird das Kind zu den Engeln versetzt. Es ist gar nicht nöthig, derlei Kinder zu vergiften, zu ersticken, ihnen Nadeln zum "zufälligen" Verschlucken zu geben, ach nein, man lässt sie allmälig verhungern [...] und die Pflegemutter, deßhalb "Engelmacherin" genannt, singt: "der liebe Gott hat den Engel zu sich genommen!"
Der katholische Volksfreund Jg. 1 (1867):http://tinyurl.com/prtxn4t


Kommentar am 28.10.2015
nicht nur österreichisch illegale Abtreibung!

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Engelmacherin






Österreichisches Deutsch bezeichnet die in Österreich gebräuchlichen sprachlichen Besonderheiten der deutschen Sprache und des Wortschatzes in der hochdeutschen Schriftsprache. Davon zu unterscheiden sind die in Österreich gebräuchlichen bairischen und alemannischen Dialekte.
Teile des Wortschatzes der österreichischen Standardsprache sind, bedingt durch das bairische Dialektkontinuum, auch im angrenzenden Bayern geläufig.

Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Aussprache kommen aus den in Österreich verbreiteten Mundarten und regionalen Dialekten, viele andere wurden nicht-deutschsprachigen Kronländern der Monarchie entlehnt. Eine umfangreiche Anzahl rechts- und verwaltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das österreichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich zurück.

Außerdem umfasst ein erheblicher Teil des speziell österreichischen Wortschatzes den kulinarischen Bereich; einige dieser Ausdrücke sind durch Verträge mit der Europäischen Gemeinschaft geschützt, damit EU-Recht Österreich nicht zwingt, hier fremde deutschsprachige Begriffe anzuwenden.
Daneben gibt es in Österreich abseits der hochsprachlichen Standardvarietät noch zahlreiche regionale Dialektformen, hier insbesondere bairische und alemannische Dialekte. Diese werden in der Umgangssprache sehr stark verwendet, finden aber keinen direkten Niederschlag in der Schriftsprache.

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