Thema: Zeitlang - ein salomonisches Urteil

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Zeitlang - ein salomonisches Urteil
22.01.2008 von Josef

Zeitlang - ein salomonisches Urteil
22.01.2008 von Josef

Liebe Yana (aber auch liebe andere Interessierte)!

Nicht, weil ich unbedingt Recht behalten wollte, sondern weil mir immer daran liegt, einen „Streit“ (im besten, positiven Wortsinn gemeint) möglichst durch ein objektives Urteil beizulegen, aber auch aus großem persönlichem Interesse, habe ich mich an das Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika (Anschrift unten) gewandt. Hier der Wortlaut meiner Mail:

Sehr geehrte Frau Dr. Geyer,
unter Dialektsprechern meines Bekanntenkreises ist ein Streit darüber entstanden, ob "Zeitlang" ein Hauptwort ist, oder ein Eigenschaftswort - also als "zeitlang" geschrieben und auch dementsprechend verwendet werden muss.

Beispielsatz (hochdeutsch): "Mir ist langweilig"

Heißt es "Ich hab Zeitlang", oder heißt es "mir ist zeitlang"? (Beides natürlich gesprochen in der jeweiligen Dialektfärbung.)

Hintergrund: Ich selbst bin Oberbayer und spreche oberbairischen Dialekt. Und hier, in Altbayern gibt es ausschließlich die Hauptwortversion (also "ich habe...). Belege dafür in: SCHMELLER, Bayerisches Wörterbuch, und ZEHETNER, Bairisches Deutsch. Eine adjektivische Version dieses Wortes findet sich in beiden Werken nicht. Verschiedene Personen aus Österreich (u. a. Linz) verfechten jedoch vehement die Version "mir ist..."

Für eine klärende Antwort wäre ich sehr dankbar!

Mit freundlichen Grüßen
Josef Scheitl

Die Antwort kam prompt, ca. 2 Stunden später:

Sg. Hr. Scheitl,
wie zuvor angekündigt, darf ich nunmehr im Auftrag von Fr. Dr. Geyer mit vorliegendem Mail Ihre Anfrage beantworten.
Das Substantiv der/die/das Zeitlang in der Bedeutung ‘Langeweile, Sehnsucht, Heimweh (u. Ä.)’ dürfte im Zuge der Verfestigung der Phrase mir ist/wird die Zeit lang entstanden und besonders im bairisch-alemannischen Raum gebräuchlich sein. (Näheres dazu finden Sie z. B. im Deutschen Wörterbuch [DWB] von J. und W. Grimm. Ich habe Ihnen deshalb den entsprechenden Artikel aus der Online-Version des DWB in das beiliegende Word-Dokument kopiert und den Beginn des wesentlichen Abschnittes ROT markiert. Am Ende des Textes finden Sie den Link zum Online-DWB.)
Was die Frage nach dem substantivischen oder adjektivischen (resp. adverbialen) Gebrauch dieses Zeitlang/zeitlang (in den o. a. Bedeutungen) anbelangt, zeigt das Belegmaterial zum Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ), dass beide Verwendungsweisen im gesamten WBÖ-Bearbeitungsgebiet (= heutiges Österreich [OHNE das alemannischsprachige Vorarlberg] plus einige im Norden, Osten und Süden angrenzende „altösterreichische“ Gebiete bzw. „Sprachinseln“) verbreitet sind (bzw. waren). Mir ist zeitlang ist ebenso gut belegt wie Ich habe Zeitlang. Substantivisch ist Zeitlang überwiegend als Maskulinum in Verwendung, es finden sich aber auch vereinzelt Formen als Feminina und Neutra.
In der Hoffnung, Ihnen hiermit gedient zu haben, grüße ich bestens aus Wien und wünsche weiterhin viel Spaß beim lebhaften Diskutieren über Sprachliches, sei es zwischen (Alt-)Bayern und Österreich oder auch über die sprachliche Bavaria hinausgreifend!
Ihr M. G.

Mag. Dr. Manfred Glauninger
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Zentrum Sprachwissenschaften, Bild- und Tondokumentation, Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika
Wohllebengasse 12-14, A-1040 Wien
Tel.: (+ 43 1) 515 81 – 7283 Fax: (+ 43 1) 515 81 - 7280
http://www.oeaw.ac.at/dinamlex


Hier der Beleg-Text (der entscheidende Teil des gesamten Textes über [Zeit-] (Rot markiert war die Nummerierung 2) am Anfang):

2) der (älter die, das) z., aus der vb. mir wird die (das) zeit lang im bair.-österr. und alem. gebiet festgeworden; langeweile, z. nach sehnsucht: die, der z. langeweile, z. haben, sterben vor lauter z. SCHMELLER-FR. 2, 1161; jetzt nur m.: der z. K. STIELER ged. 4, 34 Recl.; z. nach dein wei (sehnsucht nach deinem weib) 2, 45 Recl.; aus z. ANZENGRUBER ges. w. 6, 55; er fürchtet ... den z. ROSEGGER schr. 3, 162; das zaidlång langeweile CASTELLI mda. in Österr. 269; i ha zittlang krîet MARTIN-L. 2, 917b; auch schweiz. id. 3, 1324; vgl. lange zeit in derselben bedeutung unter zeit V B 2. --

Quelle: http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB (besucht am 22.01.2008)


Bei SCHMELLER und ZEHETNER findet sich nur die substantivische Variante, daher rührte der von mir vertretene Standpunkt - daher, aber auch aus der eigenen Erfahrung, es nie anders gehört zu haben.

Warum also streiten, warum um Himmelswillen eifersüchtig „Ping-pong-Spielen“? Es gibt Möglichkeiten, sich wirklich zu informieren. Ich meine, einen „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ bräuchten wir hier wirklich nicht!

Liebe Grüße!
Josef

Zeitlang - ein Nachtrag
22.01.2008 von Josef

Ich hatte auch an Professor Zehetner eine etwa gleichlautende Mail geschrieben wie die im ersten Beitrag zitierte. Hier ist seine Antwort:

Sehr geehrter Herr Scheitl,

als Oberbayer bin ich der gleichen Meinung wie Sie. Die andere Verwendung ist m.E. aufzulösen als "mir is (d')Zeit lang" = "mir ist die Zeit (zu) lang". Das klingt dann wie ein Adjektiv "zeitlang".
Über "Zeitlang" habe ich übrigens meinen allerersten sprachwissenschaftlichen Beitrag geschrieben, und darin, glaube ich, steht ein Beleg aus einem Werk von Carl Orff, wo beide Formen hintereinander verwendet werden. Er findet sich in der "Zeitschrift für deutsche Sprache" Jg. 1966, wenn ich mich nicht irre.

MfG
L. Zehetner

Dem ist, glaube ich, nichts mehr hinzuzufügen!
Herzliche Grüße an alle!
Josef

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Österreichisches Deutsch definiert die in Österreich gebräuchlichen sprachlichen Besonderheiten der deutschen Sprache und des Wortschatzes in der hochdeutschen Schriftsprache. Davon zu unterscheiden sind die in Österreich benutzten bairischen und alemannischen Dialekte.
Teile des Wortschatzes der österreichischen Standardsprache sind, bedingt durch das bairische Dialektkontinuum, auch im angrenzenden Bayern geläufig.

Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Aussprache kommen aus den in Österreich verbreiteten Mundarten und regionalen Dialekten, viele andere wurden nicht-deutschsprachigen Kronländern der Habsburgermonarchie entlehnt. Eine erhebliche Anzahl rechts- und verwaltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das österreichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich zurück.

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