Thema: Sorgen eines Altbayern

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Sorgen eines Altbayern
26.11.2007 von Josef

Sorgen eines Altbayern
26.11.2007 von Josef

Grüß Gott alle miteinander!

Um es gleich zu sagen: Ich bin kein Österreicher, sondern ich bin in Altbayern zuhause, übrigens ganz nah an der Grenze. Wer’s nicht wissen sollte, „Altbayern“ das ist der Teil von Bayern, der bairisch (mit „i“!) spricht, also die Regierungsbezirke Ober- und Niederbayern und die Oberpfalz.

Was den Dialekt und die Umgangssprache angeht, gehören wir zum selben – bairischen! – Sprachgebiet wie fast ganz Österreich (mit Ausnahme von Vorarlberg). Aus dem Grund hab ich mich für dieses Forum interessiert, aus diesem Grund schreibe ich jetzt hier.

Unsere bairische Sprache ist in Gefahr. Nicht nur der Dialekt, sondern auch die bairische Hochsprache, die sehr häufig andere Wörter benützt wie das sogenannte Hochdeutsche. Diese „anderen“ Wörter sind in den allermeisten Fällen identisch mit denen, die man in Österreich verwendet! Gut, nicht alles, was in Österreich zur Hochsprache gehört, ist auch in Altbayern geläufig – schließlich hatten wir zum Teil ja eine andere geschichtliche Vergangenheit. Einiges, was wir gemeinsam hatten, ist – leider! – bei uns in Vergessenheit geraten, zum Beispiel die Monatsnamen Jänner und Feber (um nur ein kleines Beispiel zu nennen). Sie waren vor ca. 50 Jahren durchaus noch gebräuchlich. Das sogenannte Hochdeutsch, das im wesentlichen aus dem Norden kommt, überrollt uns, unterdrückt uns. Es geht nicht nur um Wörter, Ausdrücke. Auch die Grammatik der bairischen Sprache entspricht der, die in Österreich gebräuchlich ist. Und auch sie wird mehr und mehr vom Norden dominiert.

Bei diesem Problem könnt ihr Österreicher uns nicht helfen. Das ist ein „Kampf“, den wir selber kämpfen müssen (ich fürchte, wir werden ihn verlieren). Darum geht es mir auch nicht.

Aber der Dialekt – da könnten wir zusammenarbeiten, dass der nicht ausstirbt. Diese Gefahr ist, glaube ich, bei uns allerdings größer als bei euch!

Was die Internetseite hier angeht, so habe ich ein paar Fragen und Anmerkungen.

1. Wird es als störend oder unpassend empfunden, wenn hier ab und zu ein Bayer (ein bairisch sprechender, wohlgemerkt!) etwas schreibt?

2. Was ich am Wörterbuch nicht so gut finde, dass zu wenig unterschieden wird zwischen Hochsprache (und städtischer Umgangssprache) einerseits und Dialekt andererseits! Vor allem, wenn man die ländlichen alten Dialekte fördern will, dann darf man das nicht auf einen Haufen werfen!

3. Es werden oft nur verschiedene Schreibweisen von an sich identischen Wörtern als „neu“ vorgeschlagen (vor allem bei Dialektwörtern ist das manchmal so). Das macht die ganze Sache unnötigerweise unübersichtlich. Hier wäre ein Moderator gut, der das sozusagen zusammenbringt.

Auf Bairisch sag ich jetzt: Pfiat God – und das klingt im benachbarten Tirol fast genaoso!

Josef Scheitl

P.S. Wer mag, der kann mir auch per E-Mail antworten:
josef-scheitl(ät)online.de Die Klammern weglassen und für "ät" das bekannte Zeichen.

Grüß Gott
29.11.2007 von Russi-4

Dann sei willkommen. Natürlich kannst du gerne hier mitmachen und diskutieren - wir Österreicher sind ein freundliches Volk

Die Unterscheidung von verschiedenen Sprachstufen ist schon einige Male aufgekommen und hier werden wir definitiv etwas machen müssen - fragt sich nur wann.

Dass es verschiedenste Einträge für das gleiche Wort gibt wird sich nicht ganz vermeiden lassen aber da können wir natürlich auch noch einiges verbessern.

Fühl dich wohl hier.

Gruß Russi

01.12.2007 von Brezi

Lieber Josef!

Deine Gedanken sind bei mir auf großes Interesse gestoßen, vor allem jene über die Tatsache, dass das bayerische und das österreichische Bairisch allein aufgrund ihrer unterschiedlichen staatlichen Zugehörigkeit ziemlich flott divergieren. In Österreich stellen die bairisch Sprechenden eine satte Mehrheit (worunter natürlich wieder die alemannisch Sprechenden zu leiden haben, was diese aber zum Glück nicht entmutigt), in Deutschland sind die bairisch Sprechenden hingegen eine Minderheit, die darüber hinaus noch eine der letzten Bastionen in D sind, bei denen der Dialekt im Alltag noch Bedeutung hat (wer spricht in Norddeutschland im Alltag noch Platt?). Neben der Überrollung eurer Sprache durch norddeutsche Wörter fällt mir auch ein starkes Abdriften bei der Phonetik auf, vor allem das Aspirieren von T und P am Wortanfang, das einem Karl Valentin noch gänzlich fremd war. Ich habe übrigens selbst dazu schon einen Beitrag verfasst, den du vielleicht einmal entdeckst. Nimms mir - das sei schon vorweggenommen - dabei bitte nicht krumm oder gar persönlich , dass die Münchner dabei ein wenig schlecht wegkommen (ich habe das kurz nach einem Aufenthalt in Mchn geschrieben, wo ich mit lauter dekadenten, ihren eigenen Dialekt nicht mehr beherrschenden Schnöseln zusammengetroffen bin, die sich dann noch patzig über uns Ösis geäußert haben).

Was unser Wissen über Sprache im Allgemeinen und bairische Mundartkunde im Besonderen angeht, wirst du, glaube ich, mit unserem durchschnittlichen Niveau einigermaßen zufrieden sein. So hätte ich zum Beispiel den Begriff Altbayern ebenso erklärt wie du, bin aber nachträglich doch ein bissl erleichtert, damit auch richtig gelegen zu sein.

Und wenn es dich tröstet: ich mache mir um meinen Wiener Dialekt auch Sorgen. In meinen Augen stirbt er gerade - und das ziemlich rasant. Und wir haben nicht die Ausred', uns nach einer "fremdsprachigen" Hauptstadt richten zu müssen, sondern sind ganz alleine schuld.

Seawas!

Brezi

01.12.2007 von Josef

Grüß Dich, Brezi,

dankschön für Deine Antwort! Zu dem einen oder anderen wollte ich noch ein bissl was sagen.

Zuerst zum Thema München. Was Du über die Sprache dort schreibst, ist leider wahr. Richtig Münchnerisches Bairisch sprechen eigentlich nur noch die Älteren. Oft reden die Kinder von bairisch sprechenden Eltern so, als wären sie nicht deren Kinder! Wenn man in manchen Geschäften als Kunde bairisch redet, wird man verständnislos (oder sogar verächtlich) angeschaut – grad so, als würde man kirgisisch oder kurdisch oder sonstwas reden.

Noch vor gut einer Generation konnte man am Dialekt sogar noch die Herkunft des Sprechers aus einem bestimmten Stadtteil heraushören. Das ist wohl endgültig vorbei!

Über die Ursachen dieser Entwicklung kann man lange Artikel schreiben - Zuwanderung aus dem Norden, Einfluß der Medien, Dummheit mancher Eltern (die meinen dass Hochdeutsch das bessere Deutsch sei) usw. usw. Darüber will ich mich hier nicht auslassen. Es gibt aber ein anderes Problem: Diese Münchner Sprachgewohnheiten, dieses total abgeflachte Bairisch, gemischt mit ziemlich viel „Nordsprech“, breiten sich aus wie eine Krankheit. So – also sprachlich gesehen – wird München immer größer! Seine Grenzen liegen z.T. bereits an den Endstationen der S-Bahnstrecken.

Insofern werden wir in Bayern bald eine Hauptstadt haben, die hoch- und norddeutsch spricht. Es wird dann immer schwerer sein, das allmähliche Aussterben des Dialekts auch auf dem Land zu verhindern. Noch gibt es Gegenden, in denen reines Ober- oder Niederbairisch oder Oberpfälzisch die selbstverständliche Umgangssprache ist. Ich wohne glücklicherweise in so einer!

Es ist wirklich bemerkenswert: Hier, ganz nah an der Grenze zu Euch, nämlich zu Tirol, gibt es inzwischen viele Menschen (Landbevölkerung), die sich wesensmäßig mit Österreich mehr verbunden fühlen, als mit unseren „deutschen Bruderstämmen“ im Norden! Bitte nicht mißverstehen: Das ist nicht politisch gemeint! Man fährt nach Kufstein oder geht in ein Dorf im Inntal und man ist unter Menschen, die dieselbe Sprache sprechen wie daheim im eigenen Dorf! Das ist ein Gefühl, das man in München längst nicht mehr hat. Und jetzt, wo die Schlagbäume an der Grenze nicht mehr da sind, ist diese politische Grenze unsichtbar geworden – und eine scharfe Sprachgrenze hat es ja eh nie gegeben. Und die historische Feindschaft zwischen Bayern und Tirol, die ist sowieso nur von den damals Herrschenden angezettelt worden. Und sie ist längst vergessen!

Ein Wort noch zur Hochsprache. Wie wenig man in Deutschland überhaupt zur Kenntnis nimmt, dass es bei uns im Süden eine vom Norddeutschen abweichende Hochsprache gibt, die sich über weite Strecken mit der österreichischen Hochsprache deckt, das sieht man oft an den Einträgen in den Wörterbüchern (Duden etc.). Dort steht dann z.B. nur „österr.“ bei Wörtern, die auch „bair.“ wären.

Wenn ich könnte, würde ich an alle Österreicher gerichtet eine große Bitte aussprechen: Wenn Ihr „Piefke“ oder „Piefkinese“ sagt oder denkt, dann klammerts bittschön uns Altbayern begrifflich aus! Ich glaub, wir sehen die, die Ihr damit meint, meistens genauso wie Ihr!

Servus!
Josef

P.S. Ich hab den Beitrag von Dir, den Du erwähnt hast, nicht gefunden. Könntest Du mir einen Link dazu setzen?

Noch ein bissl Senf....
03.12.2007 von Halawachl

...muss ich hier dazugeben. Erst vor einer Woche wieder in meiner Heimatstadt zu Besuch, teile ich Brezis Sorge. Viele Jugendliche, denen man in der U-Bahn oder Tramway zuhört, reden heute eine Art Wiener Hochdeutsch miteinander, also lediglich ein Wiener Akzent ist zu hören. Das ist ja nichts Schlechtes. Ich fürchte nur, dass uns ein Teil der Eigenheiten langsam verloren geht. Dass alles am Schluss nur noch eine Art Standarddeutsch reden wird, ohne die vielen farbigen, blumigen, und oft auch sehr aussagekräftigen Besonderheiten.

Und dann: Beim letzten Wienbesuch im Sommer genierten sich meine Kinder, als der Mann im Eissalon mich schief anlächelte, als ich mein Eis "im Stanitzel" bestellte. "Ach so, in der Tüte!", war seine Antwort. Seither werd ich in meiner Familie (alles keine Österreicher sondern recht deutschkundige Schweden) als völlig altmodischer, sprachlicher Tattergreis betrachtet, den in seiner Heimatstadt keiner mehr versteht....

Zum Altbayern jetzt. Ihr habt eine wunderschöne, aussagekräftige Sprache. Als Auslandsösterreicher geniesse ich es, wenn ich auf dem 3Sat manchmal auf bayerische Kabarettisten treffe. Das bullert und donnert, und ich freu mich! Willkommen!

Gruss
Hlw

Mein Fehler!
04.12.2007 von Brezi

Lieber Josef!

Den Artikel, den ich meinte, konntest du so auch gar nicht finden. Ich habe mich nämlich geirrt. Der Ursprüngliche Beitrag stammt von meli und was ich meine, war nur eine Replik darauf. Du findest das hier:

Rubrik: Was sonst noch zu sagen ist ... Topic: von melis reiner eine anregung

'tschuidige bitte!

Etwas ernster und seriöser ist ein anderer Beitrag von mir, der dich vielleicht auch interessieren könnte:

Rubrik: Grammatik in Österreich - Topic: Wie bewahrt man einen Dialekt?

Lieben Gruß!

Brezi

P. S.: Zu den anderen angesprochenen, sehr interessanten Punkten äußere ich mich ein andermal. Ich bin leider gesundheitlich sehr angeschlagen und habe meine heutige für ostarrichi zur Verfügung stehende Energie schon für die Klärung eines Sachverhaltes benötigt, der mit dem Thema Österreichische Sprache nicht direkt zu tun hatte.

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Österreichisches Deutsch definiert die in Österreich gebräuchlichen sprachlichen Besonderheiten der deutschen Sprache und des Wortschatzes in der hochdeutschen Schriftsprache. Davon zu unterscheiden sind die in Österreich gebräuchlichen bairischen und alemannischen Dialekte.
Teile des Wortschatzes der österreichischen Standardsprache sind, bedingt durch das bairische Dialektkontinuum, auch im angrenzenden Bayern geläufig.

Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Aussprache kommen aus den in Österreich verbreiteten Mundarten und regionalen Dialekten, viele andere wurden nicht-deutschsprachigen Kronländern der Habsburgermonarchie entlehnt. Eine große Anzahl rechts- und verwaltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das österreichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich zurück.

Außerdem umfasst ein erheblicher Teil des speziell österreichischen Wortschatzes den kulinarischen Bereich; einige dieser Ausdrücke sind durch Verträge mit der Europäischen Gemeinschaft geschützt, damit EU-Recht Österreich nicht zwingt, hier fremde deutschsprachige Begriffe zu verwenden.
Daneben gibt es in Österreich abseits der hochsprachlichen Standardvarietät noch verschiedene regionale Dialektformen, hier im Besonderen bairische und alemannische Dialekte. Diese werden in der Umgangssprache sehr stark genutzt, finden aber keinen direkten Niederschlag in der Schriftsprache.

Hinweis: Das vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung mitinitiierte und für Schulen und Ämter des Landes verbindliche Österreichische Wörterbuch, derzeit in der 44. Auflage verfügbar, dokumentiert das Vokabular der deutschen Sprache in Österreich seit 1951 und wird vom Österreichischen Bundesverlag (ÖBV) herausgegeben. Unsere Seiten und alle damit verbundenen Seiten sind mit dem Verlag und dem Buch "Österreichisches Wörterbuch" in keiner Weise verbunden.

Unsere Seite hat auch keine Verbindung zu den Duden-Nachschlagewerken und wird von uns explizit nicht als wissenschaftliches Werk betrachtet, sondern als ein Gemeinschaftsprojekt aller an der österreichichen Sprachvariation interessierten Personen.